Weltbild

Langsames Licht, schnelleres Licht

Gemälde von Raffael

Nürnberg 12:57 – wie ich heute in der Süddeutschen Zeitung gelesen habe, sind durch das Ausströmen von Helium am LHC (Störfall 19. Sep. 12:05, Genf) 20 bis 30 dieser einfamilienhausgroßen Magneten schockgefroren worden und kaputt gegangen. Man schätzt, dass es sich bis Sommer nächsten Jahres hinziehen wird, sie zu reparieren. Die Süddeutsche hält den Schaden für richtig schlimm. Könnt ihr euch noch an die Witzeleien von wegen der Angst vor dem Weltuntergang erinnern? Die FAZ bildete gar ein schwarzes Druckloch auf ihrer Titelseite ab. Da es im analogen Denken kein Ding gibt, welches nicht mit einem anderen zusammenhängt, ist zu hoffen, dass sich die Erde selbst wehrt, und wohl in der Lage zu sein scheint, das Experiment zu verzögern, vielleicht sogar zu verhindern. Die Hoffnung wächst, dass den Sponsoren schlicht das Geld ausgeht, und wir in ein paar Jahren vom größten mißlungenen Experiment der Weltgeschichte lesen können, einem Schrottplatz der Technikgeschichte. Natürlich, hier verziehen eingefleischte Nur-Materialisten grinsend das Gesicht. Die Erde soll ein Bewußtsein haben? So können sie aber nur denken, weil ihnen ihr eigenes Bewußtsein noch nicht als Erdfrucht zu Bewußtsein gekommen ist. Sie wollen wohl wissen, was ist, doch dass es ist, will ihnen, schlafenden Sinnes, nicht einleuchten. Sie wissen nicht einmal, was damit gemeint sein soll. Und naturgemäß sind daher auch ihre Ergebnisse frisiert. In ihren zynischen Überlegungen räumen sie die Möglichkeit eines „Nichts“ ein, die jedes kosmologische Modell impliziert. Nun, warum nur? Man muß an solchen Punkten ein wenig selbst werden, wie sie, um ihnen auf die Denk-Sprünge zu helfen. Denn vor dem Urknall oder jenseits des Universums, was war/ist da? Sie verlachen die sogenannten „Kreationisten“ in den USA, die eher an die biblische Schöpfungsgeschichte, denn an die Evolutionstheorie glauben. Solches ist unter Wissenschafts-Gläubigen ein wahres Sakrileg: man nennt es „Intelligent Design“; allein, merken sie nicht, dass sie an dem Ast sägen, auf dem sie selbst sitzen?

Der Irrtum

„Man soll es aussagen und erkennen, dass es Seiendes ist; denn es ist, dass es ist, nicht aber, dass Nichts ist; ich fordere dich auf, dies gelten zu lassen. Denn der erste Weg der Untersuchung, von dem ich dich zurückhalte, ist jener. Ich halte dich aber auch zurück von dem Weg, über den die nicht wissenden Menschen irren, die Doppelköpfigen. Denn Machtlosigkeit lenkt in ihrer Brust den irrenden Verstand; sie treiben dahin, gleichermaßen taub wie blind, verblüfft, Völkerschaften, die nicht zu urteilen verstehen, denen das Sein und Nichtsein als dasselbe und auch wieder nicht als dasselbe gilt und für die es von allem eine sich verkehrende Bahn gibt.“ (Parmenides, um 540/535 v. Chr.)

Ich habe über den LHC am 21. September 2008 in „Teilchenbeschleuniger und Finanzkrise“ bereits geschrieben, und den Zusammenhang zwischen beidem erläutert, soweit er sich mir zeigt. Im Wesentlichen geht es ja darum, dass die Herren Naturwissenschaftler gern wissen wollen, was „Zeit“ eigentlich ist. Manche erwarten tatsächlich von dem LHC-Experiment die Antwort auf „Alles“. Dazu schreibt Meister Eckhart: „Nehme ich ein Stück Zeit, so ist das weder der heutige noch der gestrige Tag. Nehme ich aber das „Nun“, so begreift das alle Zeit ins sich.“ Nanu? Sollte es wohl so sein, dass Zeit, ein Modellbegriff für den Fluss der Dinge, gar keine physikalische Größe sein kann? Und daher auch keine physikalische Größe aus ihr abgeleitet werden kann? Geschwindigkeit, Weg durch Zeit, folglich auch nicht. Mag es für den Hausgebrauch (Raketen, Satelliten, Bomben) hinreichend sein, für die letzten Fragen ist es bedeutend: messe ich mit der Lichtgeschwindigkeit vielleicht nur die Verzögerung der Wahrnehmung? Ob es einen Lichtäther gibt, in dem Licht sich als Welle bewegt, war noch vor Zeiten eine offen diskutierte Frage. Heute können solche Fragen nicht mehr ernsthaft diskutiert werden, weil das System der Naturwissenschaft so sehr in Abhängigkeit, Budgetverteilung und Veröffentlichungseitelkeiten verstrickt und verfilzt ist, dass wirklich revolutionäre Ansätze in den Bereich der Geisteskrankheit abgetan werden. Darin gleicht die moderne Naturwissenschaft erstaunlich der Finanzwelt. Der Physiker João Magueijo kann in seinem Buch „Schneller als die Lichtgeschwindigkeit – Hat Einstein sich geirrt?“, ein Lied davon singen. Es ist nicht so, dass es nicht Experimente gibt, die behaupten, zweifelsfrei die konstante Lichtgeschwindigkeit zu beweisen. Da wäre allem voran das Michelson-Morley Experiment zu nennen. Der Ansatzpunkt für Michelson und Morley war, die Relativgeschwindigkeit, mit der sich die Erde durch einen als ruhend angenommenen Äther bewegt, zu messen. Ruht der Äther nicht – und warum sollte er das tun? – macht dieses Experiment keine gültigen Aussagen.

Aus Spektrum der Wissenschaft 9/2001: „Bekanntlich vermag nichts sich schneller zu bewegen als das Licht, und seine Geschwindigkeit im Vakuum – rund 300000 Kilometer pro Sekunde – gehört als Naturkonstante zu den grundlegenden Eigenschaften des Universums. Dennoch ist es uns am Rowland Institute for Science in Cambridge (US-Bundesstaat Massachusetts) unter großem experimentellem Aufwand gelungen, Lichtpulse drastisch zu verlangsamen.

Unsere ersten Versuche mit gebremstem Licht dauerten in der Regel jeweils 27 Stunden ohne Pause. Statt zum Essen in die Kantine zu gehen, gewöhnten wir uns an, in einer Hand ein Stück Pizza zu balancieren, während wir mit der anderen Hand Spiegel auf dem optischen Tisch verschoben – in den entscheidenden Versuchsphasen 38 Sekunden lang bei völliger Dunkelheit. Die ersten Erfolge sahen wir im März 1998, und zwar wie so oft bei einem komplizierten Experiment erst in den frühen Morgenstunden. Im Juli konnten wir unsere Lichtstrahlen auf das Tempo von Flugzeugen bremsen. Damals sollte ich Vorlesungen am Niels-Bohr-Institut für Astronomie in Kopenhagen halten. Im Flugzeug genoss ich das Gefühl, „schneller als Licht“ unterwegs zu sein: Einer unserer verlangsamten Lichtpulse wäre in Dänemark eine volle Stunde später angekommen als ich.“

Hier sieht man, dass es ein Fehler war, die Naturwissenschaftler nicht auch Philosophie als Pflichtfach belegen zu lassen. Es ist also gelungen, Licht abzubremsen? Nun wird fleißig wegerklärt und das Dogma bestätigt: „Bekanntlich vermag nichts sich schneller zu bewegen als das Licht …“ Aber langsamer offensichtlich schon, und die konstante Lichtgeschwindigkeit gilt nur unter besonderen Bedingungen, nämlich im Hochvakuum. Aber wo gibt es sowas? Richtig: nirgendwo. Man hat also nichts anderes gemessen, wie eine bestimmte Geschwindigkeit unter besonderen, niemals wirklich vorhandenen Bedingungen. Da sogar Einstein dem Vakuum Gravitation und Masse zubilligt, handelt es sich auch keineswegs um das „Nichts“, sondern um die uns im Prinzip unbekannte Natur des Raumes. Wenn man Licht verlangsamen kann, so ist damit natürlich auch bewiesen, dass die Lichtgeschwindigkeit vom Medium abhängig ist. Demnach ist die Lichtgeschwindigkeit nicht konstant.

Ich muß hier aus gegebenem Anlass hinzufügen, dass ich weder gegen Naturwissenschaftler, noch auch ihre Methode etwas habe: ihren verholzten Betrieb hassen sie selbst am meisten, da brauche ich nicht zu kritisieren. Die Methode der Naturwissenschaft ist unentbehrlich. Nur müssten sie einfach genauer anwenden, ihre Grundlagen kritischer hinterfragen, den Autoristätsglauben ablegen. Und wirklich: es schadet nichts, ein wenig Platon, Heidegger, Derrida oder von mir aus auch Robert Musil zu lesen – die Grenze zwischen Philosophie und Literatur ist fließend – um einfach große Irrtümer und die Einschränkung der Scheuklappen zu vermeiden, die der Betrieb so mit sich bringt. In den Anfängen, zur Zeit der wahrhaft genialen Entdeckungen, war es auch gewiss, dass ein wenig humanistische Bildung nicht schaden kann, vielleicht auch ein wenig Piano. Wichtig ist einfach, zu bedenken: wir arbeiten naturwissenschaftlich mit Modellen der Wirklichkeit, nicht mit dieser selbst. Also gilt es, immer wieder nachzufragen, ob nicht diese Modelle ideologisch unterwandert sind. Das sind sie heute zweifellos. Zu fragen ist also: wem dienen sie, und was soll erreicht werden?